#freelancefriday: Mythen & Vorurteile

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#freelancefriday: Mythen & Vorurteile

Hey meine Lieben,

heute mal was anderes.
Wie in meinem letzten #writerswednesday Post versprochen, habe ich mir etwas überlegt, um die Verspätung wiedergutzumachen.
Da ich mich öfter mal mit anderen Kreativen austausche und aus diesen Konversationen immer Impulse hervorgehen, ebenso wie beim Hören des deutschen Podcasts Creative Kraut* von einem Freund von mir, habe ich eine Idee gehabt, die mir im Kopf blieb.
So dachte ich, dass es für euch interessant sein könnte, ein bisschen über das Leben eines Freiberuflers (oder auch Freelancers – den Unterschied spreche ich später noch an –) zu erfahren.
Warum bin ich in der Position darüber zu schreiben?
Hm, vornehmlich, weil ich seit mittlerweile 6 Jahren – woop woop – einer bin.
Sechs Jahre?! Ja, anstatt einen Studentenjob anzunehmen, wie viele meiner Kommilitonen, habe ich mich damals dazu entschlossen, mich neben dem Studium selbstständig zu machen.
Klingt saucool oder? Haha, wenn meine nachträgliche Bilanzierung mich nicht trügt, gab es einige Monate oder gar Jahre, in denen ein Studentenjob weeeeesentlich lukrativer gewesen wäre. 😀
Aber ich habe viel auf dem Weg gelernt und er hat mich dahin geführt, wo ich heute bin.

Und da heute scheinbar auf allen möglichen Plattformen das “Baue dein eigenes Business auf”, “Kündige deinen Job und tu, was du liebst” so intensiv beworben wird, dachte ich, könnte es ganz interessant sein, ein bisschen von meinem Weg und meine Gedanken dazu zu teilen.
Was denkt ihr? Gute Idee oder eher Schnapsidee?
Also, lasst mich mal wissen, entweder hier in den Kommentaren oder per E-Mail oder wie üblich über Facebook oder Instagram, ob ich diese Serie hier fortsetzen soll.

Heute würde ich gerne mit einigen Mythen und Vorurteilen gegenüber der freiberuflichen oder Freelancetätigkeit aufräumen.
Dazu nehme ich Aussagen, wie ich sie schon oft gehört oder in den Augen meiner Gesprächspartner gelesen habe, und gehe darauf ein.
Wie immer entspringen die Aussagen natürlich meiner eigenen Erfahrung und Meinung und dienen nicht zur Verallgemeinerung.

Kleiner Disclaimer: Ich schreibe aus der Perspektive eines Freiberuflers, der in Deutschland lebt und arbeitet. Deshalb entsprechen manche Aussagen und Regeln nicht unbedingt dem freiberuflichen Dasein in anderen Ländern. Falls ihr freiberuflich in anderen Ländern tätig seid, lasst mich gern eure Meinung wissen, ich bin interessiert daran, wie es sich in anderen Ländern darstellt und gestaltet!

Also, fangen wir an:

1. Oh, wow, du musst nicht von 8 bis 17 Uhr arbeiten und kannst dir deine Arbeit frei einteilen, wie es dir gefällt!

Also, das kommt darauf an, für was ihr gebucht wurdet.
Wenn ihr etwas unterrichtet oder Kurse gebt, dann solltet ihr schon zur angegebenen Kurszeit erscheinen, nicht wahr?
Aber klar, die Vor- und Nachbereitung könnt ihr zu einem Zeitpunkt machen, der in euren Zeitplan passt, rein theoretisch zumindest, solange ihr zur nächsten Sitzung vorbereitet seid.
Falls es sich um einen Job mit einer Deadline handelt, der aber keine Zwischenziele beinhaltet, mag es zunächst so wirken, als könntet ihr euch den ganzen Tag die Nägel lackieren und nur hier und da mal ein Stündchen arbeiten.
Aber nehmen wir mal an, ihr habt mehr als ein Projekt gleichzeitig laufen, was nicht unüblich ist (und auch etwas mit Geld zu tun hat, aber dazu komme ich gleich), dann müsst ihr schon verdammte Meister des Zeitmanagements sein, um alles unter einen Hut zu bekommen und nicht den Überblick zu verlieren und immer noch bestmöglich abzuliefern.
Und das wiederum, meine Lieben, bedeutet, dass ihr lange arbeiten werdet und oftmals kein Wochenende habt und manchmal sogar gar nicht mehr wisst, welcher Wochentag grad ist.

2. DAS ist dein Stundensatz?! Du verdienst ja ein Vermögen!

Puh, einatmen, ausatmen, ruhig bleiben.
Ja, mein Stundensatz ist höher als das, was du in deiner Festanstellung verdienst, wenn du dein Monatsgehalt durch deine Arbeitstage und dann Stunden teilst.
Stimmt.
ABER: Ich habe keinen Arbeitgeber, der einen gewissen Prozentsatz oder gar die Hälfte meiner Krankenversicherung bezahlt. Ich bin mein Arbeitgeber. Also zahle ich 100%.
Je nachdem, in welchem Bereich ihr arbeitet, kann es sogar sein, dass ihr dazu verpflichtet seid, euch privat zu versichern.
(Und hier kommen wir zum Unterschied: In Deutschland machen wir einen Unterschied zwischen freier Mitarbeiter und Freiberufler, die per definitionem meistens Anwälte, Architekten oder – so wie ich – Kreative wie Autoren sind. Zwar nutzen wir gern den fancy Anglizismus Freelancer, der dann oftmals mit Freiberufler übersetzt wird, aber korrekt ist das nicht. Nicht jeder Freelancer ist ein Freiberufler.)
Und private Krankenversicherung ist niemals günstig.
Außerdem habe ich keinen bezahlten Urlaub. Jeder Tag, an dem ich nicht arbeiten gehe, ist ein Tag, an dem ich kein Geld verdiene.
Ich wiederhole: Jeder Tag, an dem ich nicht arbeiten gehe, ist ein Tag, an dem ich kein Geld verdiene.
Lasst das mal für ‘ne Minute sacken.
Und ja, das bedeutet, dass viele Freelancer (ich benutze den Begriff hier als Zusammenfassung für Freiberufler und freie Mitarbeiter) arbeiten gehen, obwohl sie mega krank sind, schlicht und ergreifend deshalb, weil sie es sich nicht leisten können auszufallen.
Zusätzlich ist meine Arbeit Projektarbeit. Manchmal läuft ein Projekt ein Jahr, manchmal nur einige Monate und manchmal ist es ein sehr kurzfristiges Projekt, wie das Lektorat eines Buches innerhalb einer Woche.
Und das, meine Lieben, bedeutet, dass ich in möglichst kurzer Zeit möglichst viel verdienen sollte, denn wenn man nicht zu den ständig Glücklichen gehört, die bereits für ein Folgeprojekt den Vertrag in der Tasche haben, dass man sich von seinem Ersparten über Wasser halten muss, bis das nächste Projekt eingetütet ist.
(Hinweis: Eure Fixkosten werden dennoch jeden Monat von eurem Konto abgebucht, weil es keine Sau interessiert, ob ihr grade Geldeingänge verzeichnet oder nicht)
Das, in Kombination mit dem, was ich zuvor gesagt habe, führt oftmals dazu, dass Freelancer jede Joboption ergreifen, die sich bietet, sich den Arsch abarbeiten und keine Wochenenden haben, um das Gefühl einer Pseudo-Sicherheit zu haben, sollte das nächste Projekt erstmal auf sich warten lassen.
Und jetzt meine Lieben, stellt euch vor, dass 80% (Zahl ist geschätzt, keine Beweise vorhanden) eurer potentiellen Kunden versuchen, eure Preise zu drücken und mit euch zu verhandeln.
Jetzt bloß nicht verzweifelt wirken und Würde und Selbstwertgefühl bewahren!

3. Es ist total cool, dass du dir deine Projekte selbst aussuchen kannst und nicht immer dasselbe tun musst. Das macht die Arbeit vielfältig, das muss total spannend sein!

Mh, ja und nein.
Also ja, die Arbeit kann sehr vielfältig sein. Vielleicht lektoriert ihr ein Kochbuch, übersetzt die Website eines Coaches, geht als Übersetzer auf eine Messe für Kosmetik und unterstützt den Relaunch der virtuellen Präsenz eines Schuhladens.
Das ist absolut bunt und vielfältig und das ist definitiv eine Sache, die ich am freiberuflichen Arbeiten sehr schätze.
Aber das bedeutet auch, wenn ihr mehrere Projekte parallel laufen habt, dass euer Gehirn sehr schnell und flexibel arbeiten muss, damit ihr innerhalb von 12 Stunden durch 3 verschiedene Themen springen könnt und in allen dreien eure bestmögliche Arbeit abliefert.
Oder innerhalb einer Woche müsst ihr diverse Schreibstile nutzen, euer Gehirn auf andere Sprachen umschalten und dabei immer noch eure Termine einhalten.
Also ja, definitiv ist das total spannend und man lernt aus den verschiedensten Bereichen eine ganze Menge dazu.
(Wie viel ich allein durch das Lektorieren von Texten, mit deren Inhalten ich mich freiwillig nie im Detail beschäftigt hätte, gelernt habe. Und plötzlich entdeckst du dich selbst auf einer Party, wo du über Digitalisierung, Smart Homes, Finanzen und Medizin redest. haha)
Also ja, es ist aufregend, aber es kann auch sehr anstrengend sein.
Und an manchen Tagen wünscht ihr euch einfach nur ein “normales Leben” mit geregelten Arbeitszeiten, wo ihr zu einer bestimmten Uhrzeit nach Hause kommt und Feierabend habt und einfach die Dinge tut, die noch zu tun sind, wie einkaufen und Haushaltskram (denn ja, auch als Freelancer müssen diese Dinge noch irgendwo untergebracht werden) und euch dann mit einem guten Buch oder eurem Lieblingsfilm auf die Couch werfen könnt.
Aber es wäre schlichtweg gelogen, wenn ich jetzt behaupten würde, diese Arbeit sei nicht interessant oder spannend. Klar, nicht jedes Projekt ist ein Wow-Projekt und es gibt Tage, an denen ihr einfach null Bock habt, selbst bei Projekten, die euch eigentlich gut gefallen, aber das hat man ja immer, egal was man arbeitet.
Dennoch sind diese Aspekte definitiv welche, die mir an der freiberuflichen Tätigkeit sehr gut gefallen.

So, so viel zu den Mythen.
Bevor sich nun jemand aufregt, lasst mich kurz ein paar Dinge klarstellen:
1. Ich möchte in keiner Weise sagen, dass Freelance-Arbeit scheiße ist, weil es keinen bezahlten Urlaub gibt oder weil ihr mit einigen Unsicherheiten in Bezug auf Projekte umgehen müsst. Ich will mich darüber auch gar nicht beschweren, denn ihr könntet einfach sagen “Ja, aber das ist das, was du dir ausgesucht hast. Niemand hat dich gezwungen. Du kannst dir auch eine Festanstellung suchen. Das war doch deine Entscheidung.” und ich hätte diesem Argument rein gar nichts entgegenzusetzen.
2. Keineswegs möchte ich Festanstellungen irgendwie runtermachen und das Freelance-Dasein als das Nonplusultra loben oder gar behaupten, dass Freelance-Arbeit stressiger als eine Festanstellung ist. Nein, ganz bestimmt nicht! Eine Freundin von mir ist Krankenschwester, was eine Festanstellung mit bezahltem Urlaub und Krankenversicherung ist, und ich weiß, wie gestresst sie nicht nur an einigen Tagen nach Hause kommt und ich bewundere sie und ihre Kollegen für das, was sie jeden Tag leisten. Ebenso wie ich jedem meine Achtung entgegenbringe, der jeden Tag aufsteht und sein Bestes gibt. Egal, was und in welcher Vertragsform er oder sie nun auch arbeitet.
3. Mein eigentliches Ziel ist es, Verständnis und Bewusstsein für den oftmals weit verbreiteten Irrglauben über freiberufliche oder freie Tätigkeiten zu kreieren.
Sheesh, wenn ihr euch mal in den sozialen Netzen umschaut, bekommt man den Eindruck, dass jeder dritte euch erzählen will, dass ihr euren festen Job in die Tonne hauen und euren Träumen folgen sollt, um das zu tun, was ihr liebt. (Als wenn die Arbeit als Freelancer eine Garantie dafür sei.)
Was ich sagen will: Bitte bedenkt einige Punkte bevor ihr überhaupt irgendwas in die Tonne werft, okay?
Nur weil ihr als Freelancer in diversen Projekten mit vielfältigen Themen arbeitet, heißt das nicht, dass ihr euren Traum lebt, denn wie zuvor gesagt ist es oft so, dass man einfach den nächsten Job annimmt, der sich da bietet, um die Rechnungen zu bezahlen.

Ich will keine der Arbeiten, egal ob nun Freelance, freiberuflich oder feste Anstellung, auf einen Podest stellen und die anderen heruntermachen.
Mir geht es um Verständnis in beide Richtungen.

Lasst mich wissen, was ihr denkt.
Seid ihr Freelancer und liebt es?
Habt ihr eine Festanstellung und spielt mit dem Gedanken, euch selbstständig zu machen? (Falls ja, hoffe ich, dass mein Post euch nicht dazu bewegt hat, diese Idee zu verteufeln. Wenn es das ist, was ihr wirklich wollt, tut es! Ich sage nur, informiert euch vorher und macht eure Hausaufgaben, damit ihr nicht verträumt in irgendetwas hineinstolpert und euch hinterher denkt “Was zur Hölle habe ich getan?!”, okay?)
Habt ihr beide Seiten kennengelernt? Und falls ja, welche bevorzugt ihr und warum?

Lasst euch in den Kommentaren aus.

Auf bald, meine Lieben

xxx
Gina.

 

 

 

 

*[unbezahlte Werbung]

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2 thoughts on “#freelancefriday: Mythen & Vorurteile

  1. Pingback: #freelancefriday & #socialsaturday: Wir müssen reden! | gina laventura

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