#modelmonday: Der Karneval der Charaktere

#modelmonday: Der Karneval der Charaktere

Helau und Alaaf, meine Lieben!

Eigentlich war für diesen #modelmonday ein anderes Thema vorgesehen, aber da heute Rosenmontag ist, habe ich mich spontan umentschlossen.
Wer seid ihr heute? Als was habt ihr euch verkleidet?

Gina, wenn du ein Fotoshooting planst und umsetzt, fühlst du dich dann verkleidet?
Bist du dann auch jemand für den Moment, der du eigentlich nicht bist?
Ist Modeln wie Rosenmontag, nur vor der Kamera?

Ich persönlich würde meine Arbeit vor der Kamera nicht mit Rosenmontag gleichsetzen, aber ich kann definitiv bestätigen, dass ich mich bei einigen Fotoshootings verkleidet gefühlt habe, bzw. wie eine Schauspielerin, die die Rolle eines fremden Charakters einnimmt.

dw-foto-art
justyhmakeup

Allerdings ist es in den meisten Fällen für mich persönlich doch eher so, dass ich durch das Modeln meine eigenen Facetten besser kennengelernt hab.
Ich denke, die Befürchtung einer jeden Mutter, wenn das Töchterchen (oder auch der Sohn) sagt “Mama, ich werd Model!” geht so in die Richtung “Oh nein, sie wird oberflächlich werden, sich nur noch mit anderen vergleichen, drei Mal am Tag ihre Maße nehmen und nur noch in O-Saft getränkte Wattebäuschchen zu sich nehmen!”. Ergo: Panik!
Diese Befürchtungen möchte ich hiermit auch keineswegs herunterspielen, da sie leider leider oftmals berechtigt sind und das Alter, in dem viele Mädels (und auch Jungs) mit dem Modeln beginnen, ist oftmals eins, in dem der Charakter und das Selbstbewusstsein nicht so gefestigt ist, dass man dem Vergleichswahn, dem Konkurrenzkampf und den vielen Absagen standhalten kann, ohne es auf sich persönlich und den eigenen Körper zu beziehen.
Allerdings kann man auch sagen, dass die Kids (Teens, Twens) dazu nicht unbedingt ins Modelbusiness einsteigen müssen, das schafft Gruppenzwang und Gruppendynamik auch ganz von allein.
Das kenn ich noch aus meiner instagramfreien Jugend. Heute kommen die ach so sozialen Medien als Faktor noch obendrauf.
Worauf ich aber eigentlich hinauswill, ist, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen so oder so in einer Findungsphase landen werden, in der sie sich ausprobieren werden, in denen sie durch die Gegend titschen und heute ohne BH im Hippielook und morgen mit angeklebten Wimpern als Femme fatale durch die Gegend düsen werden.
Dass der Druck im Modelbusiness, vor allem, wenn es sich um das professionelle Business und nicht um ein Hobby handelt, nochmal eine ganz andere Dimension annimmt, will ich hiermit absolut nicht in Abrede stellen!
Wichtiger Hinweis an dieser Stelle: Egal, ob durch allgemeine Gruppendynamik oder weil eure Kinder, Freunde, etc. sich zum Modeln entschließen, lasst ihnen etwas Freilauf, um sich auszuprobieren, aber wenn ihr merkt, dass es ihnen nicht gut tut, ihr gefährliche Veränderungen im Verhalten und in Denkmustern erkennt, sprecht unbedingt mit ihnen! Das nur als meine eigene bescheidene Meinung.

Aus dem Nähkästchen geplaudert kann ich sagen, dass es definitiv Momente gab, in denen ich mich mit anderen Models, was Größe, Maße, Gewicht, etc. anbelangt verglichen habe, Körper, Ausdruck, Haare, Arbeitsweise. Das tut sicherlich jeder Arbeitnehmer, ebenso wie Amateure, die ein Hobby ausüben. Man vergleicht sich, bzw. seine Arbeit.
Und genau das ist in diesem Bereich vermutlich der große Knackpunkt: Die Arbeit vor der Kamera ist nicht so einfach von dem eigenen Körper und Aussehen zu lösen, wie vielleicht eine Arbeit, die ich produziere, ein Bericht, ein Produkt, ein Text, eine Aufgabe.
Wenn mein Auftraggeber sagt “Frau Laventura, der Text, den Sie da verfasst haben, trifft überhaupt nicht meine Vorstellungen.”, dann kann ich das natürlich persönlich nehmen, aber da ist der Text und hier bin ich. Auch wenn ich ihn produziert habe, ist er nicht ich.
Wenn ein Fotograf sagt “Gina, deine Körperhaltung ist eine Katastrophe und nach den von dir angegebenen Maßen siehst du nicht aus, du wirkst fülliger.”, dann wird es definitiv schwieriger, diese Kritik von meinem Äußeren, von meinem Körper, dem Zuhause meiner Seele, zu lösen.
Ihr versteht, denke ich.

Aber unmöglich ist es nicht. Es ist Arbeit, genauso wie es Arbeit ist, Kritik nicht immer persönlich zu nehmen und direkt an sich selbst zu (ver)zweifeln, was sicherlich ein jeder von euch kennt, egal ob nun im Beruf, im Privatleben, im Hobby oder sonst wie.

Was ich glücklicherweise sagen kann, ist, dass rückblickend betrachtet, das Modeln eher zum Erkennen meiner eigenen Facetten und meiner Vielfältigkeit beigetragen hat, als dass es mich in heftige Sinnkrisen gestoßen hat.
Im Gegenteil: An Tagen, an denen ich aufgrund anderer Arbeiten, die vielleicht nicht so rosig liefen oder aus persönlichen Umständen, an mir selbst, dem, was ich tue und sonstigen Fragen des Lebens verzweifelt bin und nicht wusste, was ich tun sollte, half sogar manchmal ein Blick auf mein buntes Portfolio um mir den Kick “Ich bin Miss fucking Laventura, und ich bin schon so vieles gewesen, eine Märchenfee im Wald, ein Nerd, ein Fashion Model, eine Kunstfigur, die starke Rockige, das sanfte Mädchen, und so vieles mehr. Wieso zur Hölle sollte ich das jetzt nicht packen?!” zu geben.

helena behle

JimP4nsen

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justyhmakeup

vanessa marie

sw-fotografie


norbert josefsson

Aber, ganz großes Aber, das kann natürlich auch sehr stark damit zusammenhängen, dass ich nie eine professionelle Karriere im Modelbiz verfolgt habe, nie von Casting zu Casting gerannt bin und mich schon recht früh auf den künstlerischen Ausdruck und späterhin sehr deutlich auf ausdrucksstarke, mit Text kombinierbare, geschichtenerzählende Darstellungen fokussiert habe, und damit vielleicht sogar dem Druck des Mainstreams (und das sage ich ganz liebevoll und meine ich absolut nicht abwertend! Ich meine damit die gängigen Aufnahmebereiche im High Fashion und Commercial Bereich wie Fashion, Lifestyle, Beauty, Kosmetik, Werbung, etc.) etwas entkommen bin.

Beschönigen möchte ich hier im Übrigen gar nichts, ich habe so viele Absagen bekommen, dass ich den Frust und die Enttäuschung und die Zweifel, die mich manches Mal dadurch einholten, gar nicht in ein paar Zeilen fassen kann. Agentur um Agentur hat mich abgelehnt, weil sie keine oder zu geringe Vermittlungschancen beim Kunden sahen, mein Gesicht mal zu speziell und mal nicht speziell genug war. Jobs, die mir durch die Lappen gingen, obwohl ich alle angegebenen Voraussetzungen offiziell erfüllt habe und und und.

Aber und dennoch kann und muss ich sagen, dass durch das Ausprobieren der verschiedenen Rollen, einem auch klar werden kann, was sich natürlich anfühlt und was nicht.
Es gab Shootings, in denen ich Kleidung und Styles trug, die sich fremder nicht hätten anfühlen können und ich kann sagen, es war eine Rolle, die ich absolut gern gespielt habe.

christian becker
visahamm

Und dann ist für mich relevant: Habe ich sie gut gespielt? Kommt der Ausdruck authentisch rüber?

Gleichfalls gab es Shootings, die für mich als eine Art Rolle begannen, weil ich mich zunächst so Null Komma Null damit identifizieren konnte, wo ich aber hinterher feststellen musste, dass es sich so verkehrt gar nicht angefühlt hat. Dadurch habe ich dann eine bislang unentdeckte oder ja vielleicht sogar verdrängte oder vernachlässigte Facette an mir selbst erkannt.

norbert josefsson

Durch dieses Experimentieren kann man enorm viel über sich selbst lernen, was wiederum sogar einen positiven Beitrag zum Selbstbewusstsein leisten kann.
Im Laufe der Zeit, wenn die Erfahrung sich häuft, weiß man auch, was eine Rolle ist, die man unbedingt spielen möchte und was eine Facette von sich selbst ist, die an diesem Termin nach vorne gekehrt werden soll. Ebenso lernt man, gewisse Projektideen kategorisch abzulehnen, weil man sich in dieser Rolle wirklich absolut nicht einfinden kann und egal, wie offen und flexibel man ist, wenn es dem eigenen Naturell absolut entgegengesetzt ist und einem widerstrebt, dann werden die Bilder meist auch nicht authentisch, expressiv und toll. Was im Endeffekt bedeutet, dass niemand der Beteiligten wirklich etwas davon hat und nur das Projekt an sich leiden würde.

Und manchmal macht es auch einfach nur Spaß, sich in die Kleidung eines anderen Charakters zu werfen und einfach mal etwas oder jemand zu sein, der man sonst nicht ist.
So wie heute, ihr seid heute Könige und Bettler, Prinzessinnen und Monster, Drachen, Polizisten, Verbrecher, Clowns und Kindheitshelden.

Wichtig ist wohl, bei allem, was man tut, dass man sich selbst im Kern immer mitnimmt.
Und dazu gehört wohl, zu allererst sich selbst zu kennen und kennenzulernen.
Und natürlich, dass man über und mit sich selbst lachen kann und im Idealfall, dass es Spaß macht, man selbst zu sein.
Mit all seinen Facetten, verrückten Attitüden, Eigenheiten.

manufaktur lichtbild
andreas trnka

Als was seid ihr heute verkleidet? Wer seid ihr heute?
Ich hänge mit einer Erkältung in den Seilen. Ich bin also heut das kleine grüne Männchen aus der Hustensaftwerbung.
Und ihr so?

xxx
Gina.

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Can we ever make it right? Against constant blaming and shaming

Dieser Beitrag ist auch auf Deutsch verfügbar


Photo & Editing: No bilis

It is noon. Coffee break. I’m scrolling through Facebook. In the newsfeed: a friend liked this photo.
The picture shows a German TV hostess. She wears an outfit consisting of a jeans blouse and jeans trousers in the 70’s style, you know, a pair of flares, brown belt, sunglasses and a charming smile, standing against a wall.
The caption says something like “My favourite outfit these days, cool and comfortable, perfect for mommies.”.
So, first of all, I’m not entirely sure what this lady wanted to express with her saying “perfect for mommies”. Maybe she meant that it is a loose fitting outfit that conceals the traces of the exhausting procedure of giving birth, like stretch marks and the maybe not-yet-completely-trained-and-toned-belly. Maybe she meant that the outfit is so comfortable that it allows you to do all the things you want to do with your child, like playing, sitting down with them in the grass, crawling through the mountains of toys, whatever. Maybe she meant that it is easy to wash, so when your baby decides to puke over your shoulder or your toddler thinks it a good idea to build a mud cake on your lap, that jeans is a robust material that is easy to be cleaned afterwards. Maybe she was just proud, not only of having given birth to a beautiful child, but also for finding an outfit that made her feel comfortable and attractive, because, yes, even after having given birth you are still a woman and everybody likes to feel comfortable within themselves and maybe this outfit contributed to her feeling absolutely gorgeous.
But maybe may be.
Now, let’s roll up the sleeves and rub our palms for the really interesting part (which I guess already dawned upon you): the comments.
Despite the fact that there were comments stating that she even looks more beautiful after having given birth than beforehand, that her shape was now better than before, there were many critical comments, to put it in a nice way. There were comments stating exactly the opposite of the before mentioned, namely that she looked better before she had had her baby, that she was now too thin. That the trousers were an ugly no-go, which was actually one of the mild ones, because, well, okay 70’s style flares might not be to everybody’s taste and this is a free country and you can state your opinion about style.
The really striking ones were of a different nature. There was one comment that basically said in German “Im Röckchen siehst du besser aus”, which is likely to be translated as “You look better in a skirt”, but it’s not just “skirt” because “skirt” would be “Rock”, but the suffix “-chen” always intends to make something small and cute, so basically it says “You look better in a neat, small skirt” and at least to my mind a “small skirt” would mean a short skirt, because when using the term “Röckchen” nobody actually thinks about a long hippie like gypsy skirt that goes over your knees or covers your ankles..
Another one, which was really, well, I can’t even find an adjective went like this:
“You should rather buy a push-up bra”.
Phew, yes, let us digest that for a moment and take a deep breath.
So, sticking with the comments saying that she looked more beautiful now.. Well, I’m not talking from first hand experience, but I guess a pregnancy can do something to your appearance, for better or worse, and if you look absolutely happy and radiant because you are proud and happy, that’s fine. The bugging thing is that these comments drew on the fact that she now seems to be slimmer than beforehand. And I’d say that says a lot about nowadays’ society, where everybody is talking about the “after baby body” and women compete in “who gets back into shape within the least amount of time”. This puts pressure on them and frustration on those who didn’t land in the top 100 of this competition, leading to frustrated comments like “Yeah, well, good for you that you are back in shape, but not everybody is a celebrity who’s capital often consists in their appearance, and guess what, I don’t have a personal trainer…” etc., etc., etc.. Don’t get me wrong, I do not dub the last fictive comment as invalid, because, c’mon, that’s the argument that is always played across the table when it comes to topics like that, and it is just a fact that many celebs are working with a personal trainer and try to get back into shape asap.
But this is not the point right now.
No matter whether the comments are envious, frustrated or admiring, they all draw on the same craze. Please, could we keep one thing in mind: This woman just gave birth some months ago! So, actually, her body performed a frigging natural miracle.
And maybe, just maybe, she is not so slim now because she did a lot for it and because that was her intention, but maybe, just maybe the procedure of labour was exhausting, maybe there were complications and she was stressed out and worried about her baby’s health, maybe she wasn’t well during pregnancy, maybe her baby is not one of the sweet “he already sleeps through all night” ones but doesn’t allow her to sleep more than two hours each night. All this can also contribute to a different shape. Just saying.
By the way, the last argument also serves as an answer to the comments stating that she looked better beforehand and is now too slim.
Now, let’s turn to the “Röckchen” thing. And the push-up bra thing. Both comments from male writers by the way. Well…seriously?!
Okay Mister X, I understand, your personal opinion is that short neat skirts suit her better because..she has beautiful legs and can show them or because they support her proportions better, right? Just your personal opinion, right? And Mister Y, I guess, your personal taste just prefers big boobs, huh? Alright, free country, everybody can say what they want. And they do, especially when feeling safe in the vast anonymous sphere of the internet.
But what I mean is, is that what the image of a woman looks like? What it has to be? Is that what defines women as women: big boobs and short skirts?
Can we just take a second and remind ourselves that no matter whether this lady is a celeb and being watched by the public eye and using all those social network channels to share her experiences and events of the day with her fans and ‘putting herself out there’ or not, that she accomplished more than just looking good? (although that most probably is part of her career by the nature of itself) If she decided to wear her “perfect for mommies” jeans outfit during work (which she actually did) that doesn’t make her a less competent TV hostess, that does nothing to her skills or all the competences she earned during a career that started in the late 1990’s.

The ‘funny’ thing is this: Let’s just play a game, are you in?
Let’s imagine she would have uploaded a picture in a neat short skirt, push-up bra and either tight tank top or cool blouse with cleavage. Imagine that for a moment.
What would the comments be like? “Oh, you look radiant.”, “Beautiful”, “Wow, so sexy after having a baby”? Probably, yes.
But is it unlikely that the comments would also include “You are a mother now, you shouldn’t present yourself like that, where is your honour, do you think your child would like his mommy be running around like that?” and the like?
So, I really ask you: Can we ever make it right? No matter how you do it, you do it wrong.
And yes, we all know that we cannot please every single person on this earth, that is normal. But why is it that people always have to blame and shame each other?
One way or the other there always seems to be something to criticise, to rant about. But why?

And this is just an example taken from a photo on a social network platform, a small example. Let’s open the blind a little bit.
If you are a career oriented business woman you are judged for not wanting children. Here it comes: mostly by women, not by men! By your own ‘fellows’.
If you say that you definitely want to have children because you think they are a huge contribution to the fulfilment of your life, you’re judged for being old fashioned, not emancipated, etc.
But this is not exclusively reserved for women. Men are also confronted with those controversies.
When you decide to take over your family’s business although your original plan was to follow your passion and do something else, you’re judged for giving up your dream and conforming with the expectations of others instead of living your life according to your own wishes, even if stepping into the family tradition might have been your free choice and a deed you did with all your heart.
When you decide to follow your dream instead of taking over the family business, you’re judged for putting yourself first, being egoistic and letting down your family.
Oh, great! You see? Apparently there is no way of doing it right.

But why do people still so often try?
Why is the want to be everybody’s darling still so present?
As if the struggle of combining the wish to live up to your full potential and choosing the ‘right and reasonable path’ wasn’t enough.
Why do we blame and shame and judge so often?
Is it because we blame and shame and judge ourselves so hard that we need to project it onto someone else to let all this pressure and frustration out?
Is it because we are so hard on ourselves that we automatically are hard on others?
And if so, does that not mean that we need to work a little harder on being patient, loving, caring, forgiving and kind to ourselves?
What if the way we treat others was the way we treat ourselves? What if the way we treat ourselves was the way we treat others? What if this worked vice versa?
Maybe a wake-up call to rethink the way we’re behaving not only towards others, but also towards ourselves.

Be kind. Spread the love.

Können wir es jemals richtig machen? Gegen ständiges Anprangern und Verurteilen

This entry is also available in English


Photo & Editing: No bilis

Es ist Mittag. Kaffeepause. Ich scrolle durch Facebook. Im Newsfeed: Ein Freund hat dieses Bild geliked.
Es zeigt eine bekannte deutsche TV-Moderatorin in einem Outfit, das aus einer Jeansbluse und einer Schlaghose aus Jeans im Stil der 70er Jahre besteht, brauner Gürtel, Sonnenbrille, charmantes Lächeln, an eine Wand gelehnt.
Die Bildunterschrift sagt so etwas wie “Mein Lieblingsoutfit momentan, cool und bequem, perfekt für Mamas”.
Also zunächst ein Mal bin ich mir nicht sicher, ob ich wirklich weiss, was die Dame mit “perfekt für Mamas” aussagen möchte. Vielleicht meint sie, dass dieses Outfit weit genug geschnitten ist um die Auswirkungen der Strapazen, die eine Geburt nun mal so mit sich bringt, wie Dehnstreifen und den vielleicht-noch-nicht-komplett-trainierten Bauch, perfekt zu kaschieren. Vielleicht meint sie, dass das Outfit bequem genug ist um all die Dinge zu tun, die man nun mal gern mit seinem Kind tun möchte, wie spielen, im Gras sitzen oder durch die Berge von Spielzeug krabbeln oder dergleichen. Vielleicht meint sie aber auch, dass es einfach zu waschen ist, sodass, sollte sich dein Baby dazu entschließen, sein Frühstück rückwärts zu essen und auf deiner Schulter zu platzieren oder dein Kleinkind es für eine großartige Idee halten, einen Schlammkuchen auf deinem Schoß zu bauen, Jeans das ideale, robuste Material ist, welches sich einfach säubern lässt. Vielleicht war sie auch einfach nur stolz, nicht nur darauf, ein schönes und gesundes Kind geboren zu haben, sondern auch ein Outfit gefunden zu haben, in dem sie sich wohl und attraktiv fühlt, denn, ja, auch nachdem man ein Kind zur Welt gebracht hat, ist man immer noch eine Frau und jeder freut sich, wenn er sich in der eigenen Haut wohl fühlt und vielleicht hat ebendieses Outfit dazu beigetragen, dass sie sich großartig fühlt.
Aber vielleicht, vielleicht, vielleicht.
Nun krempeln wir mal die Ärmel hoch und reiben uns die Hände und kommen zu dem wirklich interessanten Teil (den ihr vermutlich schon erahnt habt): Den Kommentaren.
Mal abgesehen davon, dass auch Kommentare dabei waren, die sagten, sie sehe nun besser aus als noch vor der Schwangerschaft und dass ihre Figur nun noch besser sei, waren auch viele kritische Kommentare dabei, um es mal nett auszudrücken. Da waren Kommentare dabei, die genau das Gegenteil von dem zuvor genannten besagten, nämlich, sie hätte vor der Schwangerschaft besser ausgesehen und sei nun zu dünn. Dass die Hose hässlich sei, wobei das noch einer der harmloseren Kommentare war, und okay, 70er Jahre Schlaghosen mögen nicht jedermanns Ding sein und wir sind ein freies Land, in dem man seine Meinung und seinen Geschmack äußern kann.
Die wirklich beachtlichen Kommentare allerdings waren ganz anderer Natur. Da war tatsächlich ein Kommentar dabei, der sagte “Im Röckchen siehst du besser aus” und ich möchte betonen, dass es nicht “Rock”, sondern “Röckchen” hieß, was mit dem Suffix “-chen” schon auf eine Verniedlichung hindeutet. Und seien wir ehrlich, bei einem niedlichen, kleinen Rock, denken wir vor allem an einen kurzen Rock, oder denkt irgendwer von euch bei dem Wort “Röckchen” an einen langen Hippierock, der bis über die Knie fällt und die Fesseln umspielt?
Ein anderer Kommentar, der wirklich..mir fehlt jegliches Adjektiv, war, sagte “Kauf dir lieber mal einen Push-up”.
Puh, ja, lassen wir das kurz sacken und atmen tief durch.
Bleiben wir kurz bei den Kommentaren, die sagten sie sehe nun besser aus als noch vor der Schwangerschaft. Ich spreche zwar nicht aus Erfahrungen aus erster Hand, aber ich kann mir vorstellen, dass eine Schwangerschaft Auswirkungen auf das Aussehen hat, ob nun im Guten oder Schlechten sei dahingestellt und wenn du danach strahlend und glücklich aussiehst, weil du glücklich bist, dann ist das wunderbar. Das Störende bei diesen Kommentaren ist eher, dass sie sich darauf beziehen, dass sie nun dünner als vorher ist. Und ich finde, das sagt eine Menge über die heutige Gesellschaft aus, in der jeder vom “After Baby Body” spricht und die Frauen am Wettbewerb “Wer ist am Schnellsten wieder in Form” teilnehmen. Das übt Druck aus und sorgt für Frustration bei denjenigen, die es nicht in den Top 100 dieses Wettbewerbs geschafft haben, was zu Kommentaren wie “Schön für dich, dass du wieder in Form bist, aber ich bin kein Promi, dessen Kapital im Aussehen liegt und einen Personal Trainer habe ich auch nicht” etc., etc., führt. Versteht mich nicht falsch, ich will den letzten fiktiven Kommentar nicht als unbegründet oder schwachsinnig darstellen, denn seien wir mal ehrlich, das ist immer das Argument, das auf den Tisch kommt, wenn solche Themen besprochen werden und es ist nun mal Tatsache, dass viele Promis sich einen Personal Trainer holen um so schnell wie möglich wieder in Form zu sein. Aber darum geht es hier grad nicht.
Egal, ob die Kommentare nun Neid, Frustration oder Bewunderung ausdrücken, beziehen sie sich alle auf den gleichen Hype, den gleichen Wahnsinn.
Könnten wir bitte mal für einen kurzen Augenblick uns Folgendes vor Augen halten: Die Frau hat vor ein paar Monaten ein Baby zur Welt gebracht! Das bedeutet, dass ihr Körper ein verdammt riesiges, natürliches Wunder vollbracht hat! Und vielleicht, ja, ganz vielleicht ist sie nicht so dünn, weil sie viel dafür getan hat und das ihre Absicht war, sondern vielleicht war die Geburt anstrengend, vielleicht gab es Komplikationen und sie war hinterher gestresst und um das Wohl ihres Kindes besorgt, vielleicht ging es ihr während der Schwangerschaft nicht gut, vielleicht ist ihr Baby nicht eins von der “Er schläft schon komplette Nächte durch”-Sorte, sondern erlaubt ihr es kaum mehr als zwei Stunden am Stück zu schlafen. All das hat auch Auswirkungen auf das Aussehen und die Figur. Nur mal so nebenbei.
Im Übrigen dient das letzte Argument auch als Antwort auf die Kommentare, die behaupten sie hätte vorher besser ausgesehen und sei nun zu dünn.
Kommen wir nun zu dem Röckchen-Ding. Und zu dem Push-up-Ding. Beides im Übrigen Kommentare von männlichen Nutzern. Ernsthaft jetzt?!
Okay Herr X, ich verstehe, das ist einzig und allein deine persönliche Meinung, dass ihr kurze Röcke besser stehen, weil…sie schöne Beine hat, die sie ruhig zeigen kann und es außerdem ihre Proportionen vorteilhaft aussehen lässt, ja? Nur deine persönliche Meinung, richtig?
Und Herr Y, ich nehme an, deine persönliche Präferenz liegt nun mal einfach eben bei großen Brüsten, hm? Okay, freies Land, freie Meinungsäußerung und jeder darf sagen, was er möchte. Und tut es auch. Vor allem in der breiten anonymen Welt des Internets.
Was ich meine ist, ist das das Bild der Frau? Wie es sein soll? Ist das, das, was eine Frau als Frau definiert: Große Brüste und kurze Röcke?
Nehmen wir uns mal einen ganz kurzen Augenblick Zeit und erinnern uns daran, dass egal, ob diese Frau nun ein Promi ist, der im Blick der Öffentlichkeit steht, über soziale Netzwerke Erfahrungen und Erlebnisse aus dem Alltag mit ihren Fans teilt und sich selbst da draussen präsentiert und performiert, oder nicht, sie mehr erreicht hat als einfach nur gut auszusehen? (Auch wenn das höchstwahrscheinlich Teil ihres Berufes ist)
Wenn sie sich dazu entschließt, ihr “perfekt für Mamas” Jeans-Outfit zur Arbeit zu tragen (was sie im Übrigen getan hat), dann macht sie das zu keiner schlechteren Moderatorin, dann ist sie dadurch nicht weniger kompetent, das ändert nichts an ihren Fähigkeiten oder den Kompetenzen, die sie während ihrer beruflichen Karriere erlangt hat, die in den 1990er Jahren begann.

Das “Witzige” ist ja Folgendes: Spielen wir ein Spiel, seid ihr bereit?
Nehmen wir mal an, sie hätte ein Foto von sich in kurzem Röckchen gepostet, mit Push-up und vielleicht engem Tanktop oder lockerer Bluse mit Ausschnitt, stellen wir uns das einen Moment lang vor.
Wie hätten die Kommentare dann wohl ausgesehen? “Oh, du bist strahlend schön”, “Wunderschön”, “So sexy und das so kurz nach der Geburt”? Wahrscheinlich, ja.
Aber ist es komplett abwegig zu denken, dass auch Kommentare wie “Du bist nun eine Mutter, du solltest dich so nicht präsentieren, denkst du deinem Kind würde es gefallen, wenn seine Mutter so rumliefe” und ähnliche dabei wären?
Daher die Frage: Können wir es jemals richtig machen? Wie man’s macht, macht man’s verkehrt.
Und ja, wir wissen alle, dass wir es nicht jeder einzelnen Person auf diesem Planeten recht machen können, das ist normal.
Aber warum müssen Leute sich immer gegenseitig anprangern und verurteilen?
Egal wie man es dreht, es scheint immer etwas zu kritisieren zu geben, etwas zum lästern, zum schlechtreden. Aber warum?

Und hierbei handelt es sich nur um ein Foto, das in einem sozialen Netzwerk hochgeladen wurde, ein kleines Beispiel.
Ziehen wir die Blende etwas weiter auf:
Wenn du eine karriereorientierte Geschäftsfrau bist, wirst du dafür verurteilt, dass du keine Kinder willst. Und hier der Knackpunkt: Meist von anderen Frauen, nicht Männern! Von deinen eigenen “Kameradinnen”.
Wenn du sagst, du willst definitiv Kinder haben, da sie für dich zur Erfüllung deines Lebens beitragen, wirst du dafür angeprangert altmodisch und nicht emanzipiert zu sein, etc.
Dieses Paradox ist allerdings nicht allein für Frauen reserviert. Männer sind ebenfalls mit dieser Kontroverse konfrontiert.
Wenn du dich dazu entscheidest das Familienunternehmen zu übernehmen, obwohl dein ursprünglicher Plan gewesen ist, deiner Leidenschaft zu folgen und etwas anderes zu machen, wirst du dafür verurteilt deinen Traum aufgegeben und dich den Wünschen und Erwartungen anderer Menschen gebeugt zu haben, selbst wenn es deine freie Entscheidung gewesen ist, die du aus vollem Herzen umgesetzt hast.
Wenn du dich dagegen entscheidest das Familienunternehmen weiterzuführen und stattdessen deinem Traum zu folgen, wirst du dafür angeprangert dich selbst an erster Stelle zu sehen, egoistisch zu sein und deine Familie im Stich gelassen zu haben.
Ja, wundervoll! Seht ihr? Anscheinend gibt es keinen Weg, wie man es richtig macht oder machen kann.

Aber warum versuchen Menschen es dennoch?
Warum ist dieser Drang, allen gefallen zu wollen, nach wie vor so präsent?
Als ob der Kampf darum, den eigenen Wunsch danach sein Leben bestmöglich zu leben, sein Potential auszuschöpfen und den “richtigen und vernünftigen Weg” zu gehen nicht schon anstrengend genug wäre.
Warum machen wir uns ständig gegenseitig fertig, prangern uns an, verurteilen uns gegenseitig?
Liegt es daran, dass wir uns selbst ständig fertig machen und verurteilen, sodass wir es auf jemand anderen projizieren müssen um der Frustration und dem Druck Luft zu verschaffen?
Liegt es daran, dass wir so hart zu uns selbst, sodass wir auch hart zu den anderen sind?
Und falls das zutrifft, hieße das dann nicht, dass wir mehr daran arbeiten sollten uns selbst gegenüber geduldiger, liebevoller, fürsorglicher und freundlicher zu sein?
Was, wenn die Art und Weise, wie wir mit anderen umgehen, auch die Art und Weise ist, wie wir mit uns selbst umgehen? Was, wenn die Art und Weise, wie wir mit uns selbst umgehen, auch die Art und Weise ist, wie wir mit anderen umgehen? Was, wenn das eine wechselseitige Wirkung ist?
Vielleicht ein Weckruf unser Benehmen nicht nur anderen gegenüber, sondern auch uns selbst gegenüber, zu überdenken.

Seid freundlich. Verbreitet Liebe.
Be kind. Spread the love.