
#modelmonday: Der Karneval der Charaktere
Helau und Alaaf, meine Lieben!
Eigentlich war für diesen #modelmonday ein anderes Thema vorgesehen, aber da heute Rosenmontag ist, habe ich mich spontan umentschlossen.
Wer seid ihr heute? Als was habt ihr euch verkleidet?
Gina, wenn du ein Fotoshooting planst und umsetzt, fühlst du dich dann verkleidet?
Bist du dann auch jemand für den Moment, der du eigentlich nicht bist?
Ist Modeln wie Rosenmontag, nur vor der Kamera?
Ich persönlich würde meine Arbeit vor der Kamera nicht mit Rosenmontag gleichsetzen, aber ich kann definitiv bestätigen, dass ich mich bei einigen Fotoshootings verkleidet gefühlt habe, bzw. wie eine Schauspielerin, die die Rolle eines fremden Charakters einnimmt.

dw-foto-art
justyhmakeup
Allerdings ist es in den meisten Fällen für mich persönlich doch eher so, dass ich durch das Modeln meine eigenen Facetten besser kennengelernt hab.
Ich denke, die Befürchtung einer jeden Mutter, wenn das Töchterchen (oder auch der Sohn) sagt “Mama, ich werd Model!” geht so in die Richtung “Oh nein, sie wird oberflächlich werden, sich nur noch mit anderen vergleichen, drei Mal am Tag ihre Maße nehmen und nur noch in O-Saft getränkte Wattebäuschchen zu sich nehmen!”. Ergo: Panik!
Diese Befürchtungen möchte ich hiermit auch keineswegs herunterspielen, da sie leider leider oftmals berechtigt sind und das Alter, in dem viele Mädels (und auch Jungs) mit dem Modeln beginnen, ist oftmals eins, in dem der Charakter und das Selbstbewusstsein nicht so gefestigt ist, dass man dem Vergleichswahn, dem Konkurrenzkampf und den vielen Absagen standhalten kann, ohne es auf sich persönlich und den eigenen Körper zu beziehen.
Allerdings kann man auch sagen, dass die Kids (Teens, Twens) dazu nicht unbedingt ins Modelbusiness einsteigen müssen, das schafft Gruppenzwang und Gruppendynamik auch ganz von allein.
Das kenn ich noch aus meiner instagramfreien Jugend. Heute kommen die ach so sozialen Medien als Faktor noch obendrauf.
Worauf ich aber eigentlich hinauswill, ist, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen so oder so in einer Findungsphase landen werden, in der sie sich ausprobieren werden, in denen sie durch die Gegend titschen und heute ohne BH im Hippielook und morgen mit angeklebten Wimpern als Femme fatale durch die Gegend düsen werden.
Dass der Druck im Modelbusiness, vor allem, wenn es sich um das professionelle Business und nicht um ein Hobby handelt, nochmal eine ganz andere Dimension annimmt, will ich hiermit absolut nicht in Abrede stellen!
Wichtiger Hinweis an dieser Stelle: Egal, ob durch allgemeine Gruppendynamik oder weil eure Kinder, Freunde, etc. sich zum Modeln entschließen, lasst ihnen etwas Freilauf, um sich auszuprobieren, aber wenn ihr merkt, dass es ihnen nicht gut tut, ihr gefährliche Veränderungen im Verhalten und in Denkmustern erkennt, sprecht unbedingt mit ihnen! Das nur als meine eigene bescheidene Meinung.
Aus dem Nähkästchen geplaudert kann ich sagen, dass es definitiv Momente gab, in denen ich mich mit anderen Models, was Größe, Maße, Gewicht, etc. anbelangt verglichen habe, Körper, Ausdruck, Haare, Arbeitsweise. Das tut sicherlich jeder Arbeitnehmer, ebenso wie Amateure, die ein Hobby ausüben. Man vergleicht sich, bzw. seine Arbeit.
Und genau das ist in diesem Bereich vermutlich der große Knackpunkt: Die Arbeit vor der Kamera ist nicht so einfach von dem eigenen Körper und Aussehen zu lösen, wie vielleicht eine Arbeit, die ich produziere, ein Bericht, ein Produkt, ein Text, eine Aufgabe.
Wenn mein Auftraggeber sagt “Frau Laventura, der Text, den Sie da verfasst haben, trifft überhaupt nicht meine Vorstellungen.”, dann kann ich das natürlich persönlich nehmen, aber da ist der Text und hier bin ich. Auch wenn ich ihn produziert habe, ist er nicht ich.
Wenn ein Fotograf sagt “Gina, deine Körperhaltung ist eine Katastrophe und nach den von dir angegebenen Maßen siehst du nicht aus, du wirkst fülliger.”, dann wird es definitiv schwieriger, diese Kritik von meinem Äußeren, von meinem Körper, dem Zuhause meiner Seele, zu lösen.
Ihr versteht, denke ich.
Aber unmöglich ist es nicht. Es ist Arbeit, genauso wie es Arbeit ist, Kritik nicht immer persönlich zu nehmen und direkt an sich selbst zu (ver)zweifeln, was sicherlich ein jeder von euch kennt, egal ob nun im Beruf, im Privatleben, im Hobby oder sonst wie.
Was ich glücklicherweise sagen kann, ist, dass rückblickend betrachtet, das Modeln eher zum Erkennen meiner eigenen Facetten und meiner Vielfältigkeit beigetragen hat, als dass es mich in heftige Sinnkrisen gestoßen hat.
Im Gegenteil: An Tagen, an denen ich aufgrund anderer Arbeiten, die vielleicht nicht so rosig liefen oder aus persönlichen Umständen, an mir selbst, dem, was ich tue und sonstigen Fragen des Lebens verzweifelt bin und nicht wusste, was ich tun sollte, half sogar manchmal ein Blick auf mein buntes Portfolio um mir den Kick “Ich bin Miss fucking Laventura, und ich bin schon so vieles gewesen, eine Märchenfee im Wald, ein Nerd, ein Fashion Model, eine Kunstfigur, die starke Rockige, das sanfte Mädchen, und so vieles mehr. Wieso zur Hölle sollte ich das jetzt nicht packen?!” zu geben.

helena behle

JimP4nsen

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justyhmakeup

vanessa marie

sw-fotografie

norbert josefsson
Aber, ganz großes Aber, das kann natürlich auch sehr stark damit zusammenhängen, dass ich nie eine professionelle Karriere im Modelbiz verfolgt habe, nie von Casting zu Casting gerannt bin und mich schon recht früh auf den künstlerischen Ausdruck und späterhin sehr deutlich auf ausdrucksstarke, mit Text kombinierbare, geschichtenerzählende Darstellungen fokussiert habe, und damit vielleicht sogar dem Druck des Mainstreams (und das sage ich ganz liebevoll und meine ich absolut nicht abwertend! Ich meine damit die gängigen Aufnahmebereiche im High Fashion und Commercial Bereich wie Fashion, Lifestyle, Beauty, Kosmetik, Werbung, etc.) etwas entkommen bin.
Beschönigen möchte ich hier im Übrigen gar nichts, ich habe so viele Absagen bekommen, dass ich den Frust und die Enttäuschung und die Zweifel, die mich manches Mal dadurch einholten, gar nicht in ein paar Zeilen fassen kann. Agentur um Agentur hat mich abgelehnt, weil sie keine oder zu geringe Vermittlungschancen beim Kunden sahen, mein Gesicht mal zu speziell und mal nicht speziell genug war. Jobs, die mir durch die Lappen gingen, obwohl ich alle angegebenen Voraussetzungen offiziell erfüllt habe und und und.
Aber und dennoch kann und muss ich sagen, dass durch das Ausprobieren der verschiedenen Rollen, einem auch klar werden kann, was sich natürlich anfühlt und was nicht.
Es gab Shootings, in denen ich Kleidung und Styles trug, die sich fremder nicht hätten anfühlen können und ich kann sagen, es war eine Rolle, die ich absolut gern gespielt habe.

christian becker
visahamm
Und dann ist für mich relevant: Habe ich sie gut gespielt? Kommt der Ausdruck authentisch rüber?
Gleichfalls gab es Shootings, die für mich als eine Art Rolle begannen, weil ich mich zunächst so Null Komma Null damit identifizieren konnte, wo ich aber hinterher feststellen musste, dass es sich so verkehrt gar nicht angefühlt hat. Dadurch habe ich dann eine bislang unentdeckte oder ja vielleicht sogar verdrängte oder vernachlässigte Facette an mir selbst erkannt.

norbert josefsson
Durch dieses Experimentieren kann man enorm viel über sich selbst lernen, was wiederum sogar einen positiven Beitrag zum Selbstbewusstsein leisten kann.
Im Laufe der Zeit, wenn die Erfahrung sich häuft, weiß man auch, was eine Rolle ist, die man unbedingt spielen möchte und was eine Facette von sich selbst ist, die an diesem Termin nach vorne gekehrt werden soll. Ebenso lernt man, gewisse Projektideen kategorisch abzulehnen, weil man sich in dieser Rolle wirklich absolut nicht einfinden kann und egal, wie offen und flexibel man ist, wenn es dem eigenen Naturell absolut entgegengesetzt ist und einem widerstrebt, dann werden die Bilder meist auch nicht authentisch, expressiv und toll. Was im Endeffekt bedeutet, dass niemand der Beteiligten wirklich etwas davon hat und nur das Projekt an sich leiden würde.
Und manchmal macht es auch einfach nur Spaß, sich in die Kleidung eines anderen Charakters zu werfen und einfach mal etwas oder jemand zu sein, der man sonst nicht ist.
So wie heute, ihr seid heute Könige und Bettler, Prinzessinnen und Monster, Drachen, Polizisten, Verbrecher, Clowns und Kindheitshelden.
Wichtig ist wohl, bei allem, was man tut, dass man sich selbst im Kern immer mitnimmt.
Und dazu gehört wohl, zu allererst sich selbst zu kennen und kennenzulernen.
Und natürlich, dass man über und mit sich selbst lachen kann und im Idealfall, dass es Spaß macht, man selbst zu sein.
Mit all seinen Facetten, verrückten Attitüden, Eigenheiten.

manufaktur lichtbild
andreas trnka
Als was seid ihr heute verkleidet? Wer seid ihr heute?
Ich hänge mit einer Erkältung in den Seilen. Ich bin also heut das kleine grüne Männchen aus der Hustensaftwerbung.
Und ihr so?
xxx
Gina.
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