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Photo & Editing: freshandjuicy
Eine endlos lange To-Do-Liste.
Ein Punkt abgehakt, zwei neue hinzu.
Die Überlegung, was man alles gerne (mal wieder) tun würde, wenn man doch endlich mal Zeit hätte. Aber erst muss ja noch die Wäsche gewaschen, das Haus geputzt und die Rechnung bezahlt, das Projekt bearbeitet, die E-Mails sortiert, die Ablage gemacht, die Pflichten erfüllt werden.
Aber dann, ja dann, wenn erst alles abgearbeitet ist, dann kann man endlich das Buch lesen, das man vor vier Monaten zum Geburtstag geschenkt bekommen hat, dann kann man wieder ins Theater gehen oder es sich auf dem Balkon gemütlich machen oder endlich die fünfunddreißig Folgen der Lieblingsserie aufholen oder mal wieder ein Computerspiel spielen um endlich die Mission zu beenden.
Wann sind eigentlich lange To-Do-Listen zum Zeichen von Ambition geworden? Wann haben wir beschlossen, dass Workaholic das neue Berufsziel ist, egal in welcher Sparte man tätig ist? Wann wurde Stress zum Synonym für Fleiß und Erfolg? Wann wurde “du siehst ausgelaugt aus, du solltest mal wieder vernünftig essen und schlafen” ein figurschmeichelndes Kompliment, das auch noch auf den eigenen Ehrgeiz hindeutet?
In diesem listenartigen Erfolgsplan werden sogar die Tätigkeiten, die eigentlich Spaß machen und Freude bereiten zum weiteren abzuarbeitenden Punkt, wie “Sarah anrufen” und “auf Marks E-Mail antworten” oder “mit Susi und Jo ins Kino”. Genießen wir eigentlich noch wirklich? Genießen wir die Zeit, die wir dort nun verbringen oder gehen wir im Kopf schon auf dem Weg zum Kino durch wie wir den morgigen Tag strukturieren um die Dinge, für die ja aufgrund des Kinobesuchs nun die Zeit fehlt, doch noch geschafft zu bekommen?
Zeit…Faktor Zeit…immer wieder ein Thema. Vor allem in einer Gesellschaft, die zum Großteil durch den Satz “Zeit ist Geld” bestimmt wird. Vielleicht ist Zeit Geld. Aber vor allem ist Zeit eins: kostbar. Man hat sie nur ein einziges Mal. Ist die Minute verronnen, ist sie hinfort und man bekommt sie nie wieder zurück. Sich ab und zu mal hinzusetzen und zu überlegen, in was man dieses kostbare Gut gern investieren möchte (nicht sollte oder müsste) kann manchmal sehr aufschlussreich sein.
Wir sind gestresst, hektisch, ausgelaugt, rennen von Termin zu Termin, von Ziel zu Ziel, glauben immer an diesem einen Punkt anzukommen, an dem wir dann endlich Zeit haben um das zu tun, was wir gerne tun wollen. Aber was, wenn wir diesen Punkt nie erreichen? Was, wenn immer wieder ein neuer Punkt auf der Liste hinzukommt? Was, wenn wir gar nicht mehr anders können, als immer wieder einen weiteren Punkt hinzuzufügen, weil wir ein leeres Blatt Papier gar nicht mehr gewöhnt sind und vor allem gar nicht mehr ertragen können? Was, wenn wir damit nichts anzufangen wüssten?
Und was, ja was, wenn wir uns die Zeit, die wir meinen nicht zu haben, einfach mal nehmen würden? Was, wenn wir dem Drang, morgens nach dem ersten Kaffee durch Feld, Wald und Flur zu marschieren einfach mal folgen würden? Was, wenn genau das das ist, was uns mit genügend Energie versorgt um acht statt drei Dinge von der Liste abzuarbeiten?
Was, wenn wir zwischen den Dingen, die zu tun sind das kleine Zeitfenster nutzten um das erste Kapitel des Buches, das wir vor vier Monaten zum Geburtstag geschenkt bekommen haben, zu lesen? Was, wenn wir das Jammern über den dringend benötigten Urlaub dadurch ersetzten, dass wir uns Zeit für uns nähmen? Urlaub im Kopf.
Ob das nun bei einem Spaziergang durch Feld, Wald und Flur, Bücher lesen auf dem Balkon oder im nächsten Straßencafé sitzen und Leute beobachten bedeutet, spielt dabei erstmal keine Rolle. Was, wenn wir uns wirklich die Zeit nähmen und sie genießen würden? Und was, ja was, wenn genau das dafür sorgen würde, dass uns all die noch zu tuenden Dinge viel leichter von der Hand gingen?
Alle reden von der großen Work-Life-Balance und ständig muss alles optimiert und perfektioniert werden, sei es nun die Arbeitsmoral, die Arbeitsweise, das eigene Aussehen, die Garderobe, das Zeitmanagement oder auch der eigene Partner. Aber bei all dem Optimierungswahn haben wir vergessen dann und wann innezuhalten und uns an dem zu erfreuen, was wir bereits (erreicht) haben, danke zu sagen. Bei all dem Perfektionismus haben wir vergessen gut zu sein, gut zu uns zu sein.
Wir reden ja nicht von Faulenzen oder alles auf die leichte Schulter nehmen, sondern wir reden davon, dem Affenstall im Kopf mal Einhalt zu gebieten und durchzuatmen. Mal nicht zu optimieren, sondern zu reflektieren. Sich mal hinzusetzen anstatt zu hetzen.
Für einen Moment die Augen zu schließen und Urlaub zu machen.
Urlaub im Kopf.
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